Fertilitätserhalt bei Patientinnen mit gynäkologischen Tumoren und Kinderwunsch- Überblick über die Möglichkeiten und Grenzen

Aufgrund geänderter Lebensplanung wird die Umsetzung des Kinderwunsches von immer mehr Frauen in spätere Lebensphasen verschoben. Dadurch steigt die Anzahl der Frauen, die vor oder während einer Schwangerschaft an soliden Tumoren erkranken. Die Umsetzung des Kinderwunsches ist eine interdisziplinäre Herausforderung zwischen Onkologen, Gynäkologen, Radioonkologen, Pathologen, Neonatologen, Geburtshelfern und anderen Fachdisziplinen. Insbesondere, wenn die onkologische Therapie in den Hormonstoffwechsel eingreift bzw. Organfunktionen von Ovar, Endometrium und oder des Gebärmutterhalses nachhaltig beeinträchtigen werden.

Medikamentöse Therapie zum Erhalt der Eierstockfunktion

Neben der Kryokonservierung von Ovargewebe, mit ggf. späterer Retransplantaion des Gewebes, der Kryokonservierung befruchteter und unbefruchteter Eizellen, bietet die medikamentöse Therapie in vom von GnRH-Analoga eine zusätzliche Möglichkeit, die Ovarfunktion vor Chemotherapien, v.a. bei jungen Patientinnen mit Lymphomen, Mammakarzinom und anderen malignen Erkrankungen, zu schützen. Zu den Wirkmechanismen gibt es unterschiedliche Theorien: Von der Simulation des präpubertären hypogonadotropen Milieus über eine direkte Wirkung auf GnRH-Rezeptoren, die möglicherweise verringerte ovarielle Perfusion, die Hochregulierung eines Ovar-protektiven Moleküls wie Sphingosin-1-Phosphat und den Schutz der möglichen Stammzelle. Die Daten zur Verwendung von GnRH zur Erhaltung der Ovarreserve sind durchaus widersprüchlich, in der Mehrzahl finden sich jedoch Publikationen, die die Verwendung stützen.

Gebärmutterkörperkrebs- Endometriumkarzinom

In der Vergangenheit war das Endometriumkarzinom eher eine typische Erkrankung der älteren Frau. Die weit verbreitete Fehlernährung durch industriell prozessierte Nahrung verbunden mit mangelnder physischer Aktivität mit einem dramatischen Anstieg der Adipositas hat insbesondere für junge Frauen das Risiko, an einem hormonabhängigen Typ-I-Karzinom zu erkranken, erhöht. Es wird geschätzt, dass weltweit 35% der Endometriumkarzinome mit erhöhtem Body Mass Index (BMI) bzw. Diabetes assoziiert sind.

Standard of Care ist weltweit die Hysterektomie, die eine spätere Schwangerschaft ausschließt. In den letzten Jahren hat sich für hochselektionierte Patientinnen die Möglichkeit der Umsetzung des Kinderwunsches etabliert. Für junge Frauen mit aktuellem oder prospektivem Kinderwunsch und einem frühen G1-differenzierten Endometriumkarzinom kann zunächst eine medikamentöse Therapie, entweder oral oder intrauterin eingesetzt werden. Die Dosierungsangaben der angewandten Gestagen-Dosis und deren Ansprechraten sind unterschiedlich. Eine regelmäßige Untersuchung der Patientinnen ist wichtig, um einen Progress unter der hormonellen Therapie auszuschließen. Dies setzt wiederum eine exzellente Kooperation der Patientin voraus. Wenn nach sechs Monaten kein Tumor mehr nachweisbar ist, kann die Umsetzung des Kinderwunsches, also die Schwangerschaft, erfolgen. Die Schwangerschaftsrate nach diesem Vorgehen beträgt ungefähr 30%. Somit besteht bei frühem Endometriumkarzinom die onkologisch vertretbare Möglichkeit, eine Gestagentherapie durchzuführen und im Intervall bis zur Hysterektomie eine Schwangerschaft einzuleiten und auszutragen. Die Kombination aus Metformin und Gestagen zeigte im Vergleich mit der alleinigen Gestagentherapie ein geringeres Rezidivrisiko bei vergleichbaren Remissions- und Schwangerschaftsraten. Bei Patientinnen mit krankhaftem Übergewicht lassen sich die nach bariatrischer Operation erzielten Gewichtsreduktionen in ein besseres Ansprechen unter Gestagenen überführen und erzielen damit höhere Erfolgsraten des zunächst gebärmuttererhaltenden Therapieansatzes.

Fertilitätserhalt in der Therapie des Eierstockkrebses (Ovarialkarzinom)

Prospektive bzw. randomisierte Daten zu diesem onkologischen Thema sind nicht verfügbar. Für junge Frauen mit Kinderwunsch und einem frühem Ovarialkarzinom besteht unter strenger Indikationsstellung die Möglichkeit, den nicht erkrankten Eierstock und die Gebärmutter zu erhalten. Im schwedischen Qualitätsregister für gynäkologische Malignome wurden alle Frauen im Alter von 18 bis 40 Jahren identifiziert, bei denen zwischen 2008 und 2015 ein epitheliales Ovarialkarzinom (EOC) im Stadium I diagnostiziert wurde. Detaillierte Daten zu Operation, Staging, Histopathologie und Nachsorge wurden extrahiert und überprüft. Die Raten des krankheitsfreien Überlebens (DFS) und des Gesamtüberlebens (OS) wurden verglichen (Kaplan-Meier-Methode) zwischen Frauen, die sich einem fertilitätsschonenden Eingriff (FSS= Erhalt mindestens eines Ovars und des Uterus) unterzogen hatten, und einer radikalen Operation (RS= Adnexektomie und Hysterektomie).

Die 5-Jahres-Überlebens-Rate betrug 92%. Bzgl. krankheitsfreiem und Gesamtüberleben wurden keine statistischen Unterschiede zwischen beiden Gruppen festgestellt. Die Rezidivrate nach RS betrug 13 % im Vergleich zu 6 % nach FSS. Rezidive wurden häufiger bei Frauen mit Tumor im Stadium IC oder mit aggressiveren histologischen Subtypen beobachtet. In der FSS-Kohorte brachten neun Frauen zeitgerecht 12 gesunde Kinder zur Welt. Nur eine Frau hatte eine Behandlung mit IVF erhalten.

Das Langzeitüberleben von Patientinnen mit epithelialem Ovarialkarzinom im Stadium IA und IC, die mit einseitiger Adnexektomie unter Erhalt des Uterus behandelt wurden, ist ausgezeichnet. Über diese Behandlungsoption sollten Frauen mit Kinderwunsch im Stadium I beraten werden.

Fertilitätserhaltende Therapie des frühen Gebärmutterhalskarzinoms (Zervixkarzinom)

Die sogenannte Trachelektomie ist ein operatives Verfahren, das es jungen Patientinnen mit Kinderwunsch und einem frühen Zervixkarzinom bis 2 cm Größe und ohne Lymphknotenmetastasen ermöglicht, die Gebärmutter zu erhalten und eine spätere Schwangerschaft auszutragen (Abbildung 1). International werden verschiedene Zugangswege und technische Varianten durchgeführt. Sie orientieren sich meistens an der Präferenz der lokalen Operateure. So werden die radikale vaginale Trachelektomie, die roboter-assistierte radikale und die laparotomische radikale Trachelektomie durchgeführt. Die onkologische Sicherheit ist bei Beachtung der Ausschlusskriterien identisch zur radikalen Hysterektomie für diese Tumorstadien, die Schwangerschaftsraten unterscheiden sich je nach Zugangsweg deutlich zugunsten der minimal-invasiven Verfahren. Die Schwangerschaftsraten betragen ca. 70%, nur die offene radikale Trachelektomie weist eine signifikant niedrigere Schwangerschaftsrate auf. Aufgrund des Verlustes von Zervixlänge besteht trotz der immer angelegten permanenten Cerclage eine erhöhte Frühgeburtlichkeit. Alle Frauen müssen nach einer Trachelektomie per Sectio entbunden werden. International zeigt sich eine deutliche Tendenz zu einer geringeren Radikalität der Resektion an der Zervix uteri im Sinne einer Konisation (Re-Konisation) oder einer einfachen Trachelektomie. Obwohl in den kleinen Studien zumeist nur Patientinnen mit einem minimalen Risiko aufgenommen wurden, sind die onkologischen Ergebnisse inkonsistent und ohne Langzeit Follow-Up. Hier bedarf es noch weitere Studien und besserer Selektionskriterien, um eine „tailored“ Radikalität zu etablieren.

Fertilitätserhalt während der Strahlentherapie

Die Strahlentherapie kann an verschiedenen Stellen in die weibliche Fertilität- direkt und indirekt- eingreifen. Entscheidend für den Schädigungsmechanismus sind die verabreichte Dosis, aber auch die genetisch determinierte Strahlenempfindlichkeit, das Lebensalter zum Zeitpunkt der Schädigung und im zeitlichen Zusammenhang stehende zusätzliche Schädigungsmuster, wie eine Chemotherapie. Eine Strahlentherapie greift in die Fertilität z.B. ein über:

  • die Schädigung der hypothalamisch-hypophysären Achse durch eine Bestrahlung im ZNS-Bereich.
  • direkte Schädigung der Ovarien durch die Strahlentherapie. Die Ovarien gehören zu den strahlenempfindlichsten Geweben des weiblichen Körpers. Schon 1-2 Fraktionen können bei einer konventionellen Dosierung die Ovarreserve zerstören und die Follikelreifung unmöglich machen sowie die Hormonproduktion beeinträchtigen;
  • indirekte Schädigung der Ovarien durch Auftreten von Streustrahlung bei Bestrahlung im Thorax, Abdomen etc.
  • Der Uterus erleidet unter Bestrahlung eine Atrophie des Endometriums, so dass eine Nidation der befruchteten Eizelle unmöglich wird.
    Oben genannte Schädigungsmuster machen deutlich, dass zur Vermeidung einer Schädigung unterschiedliche Ansätze gewählt werden müssen.

Ovarschädigung durch (Streu-)Strahlung

Die wichtigste Maßnahme zum Strahlenschutz ist die Vergrößerung des Abstandes zur Strahlenquelle. Mit der Verdopplung des Abstandes viertelt sich die Dosisbelastung (Abstands-Quadrat-Gesetz). Die Ovariopexie, die Verlagerung der Ovarien aus dem Bestrahlungsvolumen, ist ein wirksames Mittel zur Schonung der Ovarfunktion und Vermeidung einer vorzeitigen Menopause. Sie hat sich v.a. laparoskopisch als gut durchführbar, wenig belastend und hocheffektiv erwiesen. Die prä-radiotherapeutische Verlagerung ist in der Lage, gemeinsam mit modernen Strahlentherapietechniken, die Dosis im Ovar dramatisch zu senken. Für eine erfolgreiche Ovarschonung sollten mittlere Dosen <2-3Gy im Ovar angestrebt werden. Eine sorgfältige Patientenselektion (junge Frauen <40 Jahren, keine lokal fortgeschrittenen Befunde) und eine sorgfältige Aufklärung müssen gewährleistet sein. Der mögliche Nutzen einer ovariellen Transposition muss gegen das geringe Risiko einer ovariellen Metastasierung abgewogen werden. Diese ist abhängig vom klinischen Stadium und der Histologie des Tumors. Letztere wurde als wichtiger Faktor bei der Vorhersage der Rate von Ovarialmetastasen identifiziert, wobei viele Studien niedrigere Raten bei Plattenepithelkarzinomen (unter 1%) im Vergleich zu Adenokarzinomen (bis 8%) unterstützen. Dies muss mit der Patientin diskutiert werden. Zyklusabhängige Schmerzen und Zystenbildung werden gelegentlich beschrieben.

Atrophie der Gebärmutterschleimhaut

Durch die Bestrahlung erleidet die Gebärmutterschleimhaut eine Atrophie, so dass eine Nidation der befruchteten Eizelle nicht möglich ist. Die Muskulatur des Korpus atrophiert und fibrosiert, was eine deutlich eingeschränkte Elastizität zur Folge hat, die wiederum eine wichtige Voraussetzung für das Gedeihen der Schwangerschaft ist. Eine klare Dosis- Wirkungsbeziehung ist hier nicht belegt. Deshalb ist die Dosis, unter der die Atrophie des Endometriums nicht oder nur geringfügig ausgebildet wird, unklar. Eine Schonung des Endometriums kann durch temporäre Fixierung mit resorbierbarem Nahtmaterial an der Bauchwand, z.B. vor einer Radiotherapie des kleinen Beckens bei Vulva- Vaginalkarzinomen oder, wie in dem gezeigten Beispiel (siehe unten) vor Radiochemotherapie bei Analkarzinom erfolgen. Die Abbildung zeigt, dass durch die Verlagerung nach vorne zur Bauchwand eine Schonung des Endometriums erreicht werden kann. Da sich die Fäden von selbst auflösen, nimmt die Gebärmutter nach Ende der Strahlentherapie ihre ursprüngliche Lage wieder ein. Die betreffende Patientin ist Mutter eines gesunden Kindes geworden.

Der grüne Pfeil zeigt die Schonung der Gebärmutterschleimhaut durch temporäre Fixierung des Uterus. Dadurch wird die Gebärmutter nach vorne „gekippt“ und die Gebärmutterschleimhaut kann besser geschont werden. Die Patientin, die dieser Abbildung zugrunde liegt, ist Mutter eines gesunden Jungen geworden.

Schonung von Uterus und Eierstöcken

Während die oben geschilderten Maßnahmen lediglich die hormonelle Situation der Patientin verbessern und eine frühe Menopause mit all ihren gesundheitlichen Risiken u.a. für Knochen- und Fettstoffwechsel reduzieren helfen, ist die Umsetzung des Kinderwunsches auf diese Weise ohne Leihmutterschaft nicht möglich. Eine temporäre Verlagerung des Uterus vor geplanter Radio(chemo)therapie ist von einer brasilianischen Arbeitsgruppe durchgeführt und beschrieben worden. Dazu wird der Uterus mit der Zervix und den Adnexen nach kranial verlagert und mit der Zervix uteri am Umbilicus ausgeleitet. Damit ist eine sichere Menstruation möglich. Nach Abschluss der Strahlentherapie erfolgt die Rückverlagerung. Mit dieser aufwendigen und speziell trainierten Teams vorbehaltene experimentellem Maßnahme ist der Erhalt der Ovarfunktion, die entsprechende eigene Hormonproduktion, die Follikelreifung im Ovar und das Austragen der Schwangerschaft möglich. Zwei Kinder sind in Brasilien nach dieser Operation gesund zur Welt gebracht worden (persönliche Kommunikation R. Ribeiro). In Deutschland sind bisher zwei dieser Operationen durchgeführt worden. Die nachfolgenden Abbildungen zeigen die operative Verlagerung der kompletten Gebärmutter vor der geplanten Strahlentherapie bei einer Patientin mit Enddarmkrebs.

Verlagerung der kompletten Gebärmutter vor Strahlentherapie des Beckens. Die MRT-Schicht zeigt den verlagerten Uterus und Ausleitung des Gebärmutterhalses am Nabel. Nach Beendigung der Strahlentherapie wird die Gebärmutter wieder an ihre ursprüngliche Position im Becken zurückverlagert.

Die Dosisbelastung des Organs konnte dramatisch reduziert werden konnte. Die magentafarbene Isodose in der Abbildung oben präsentiert die Belastung mit 1 Gy und die darüber verlaufende violette Isodose ist einer Belastung von 0,5 Gy zuzuordnen. Somit bietet diese Methode eine Reduktion der Dosis und Schonung der Organe Uterus und Ovarien, die keine andere Methode derzeit bietet. Eine Uterustransplantation in onkologischer Indikation hat bisher nur experimentellen Charakter.

Zusammenfassung

Verschiedene Konzepte für den Fertilitätserhalt im Kontext onkologischer Therapiekonzepte sind onkologisch sicher durchführbar. Sie stellen eine Herausforderung für Patienten wie deren Behandler dar und bedürfen einer strikten Einhaltung der Indikationen und die Durchführung und Begleitung durch spezialisierte interdisziplinäre Teams.

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